005 - Interview mit Dr. med. Dotzauer und Schmerzspezialist Aljoscha Liebe

Im Interview mit Ergotopia Geschäftsführer Alex Weitnauer verraten Dr. med. Dominik Dotzauer und Schmerzspezialist Aljoscha Liebe, was Du konkret tun kannst, wenn Dich Schmerzen plagen, wie Du sie schnellstmöglich loswirst und was Du besser vermeiden solltest!

Shownotes

Interview mit Dr. med. Dominik Dotzauer und Schmerzspezialist Aljoscha Liebe

>>> Zusätzliche Informationen für Ergotopia Podcasthörer bei Dr. Dotzauer

Frage 1: Wie sind Sie beide ursprünglich zu den Themengebieten gekommen, auf die Sie sich spezialisiert haben?

  • Trotz langer Erfahrung beim Krafttraining litt Dr. Dotzauer auf einmal unter Knieschmerzen. Trotz zahlreicher Arztbesuche und Eigenrecherche erzielte er zunächst kaum eine Besserung

  • Erst die Integration des psychosozialen Modells des Schmerzspezialisten Herrn Aljoscha Liebe half ihm, Grundübungen wie Kniebeugen oder Kreuzheben wieder schmerzfrei auszuführen

  • Aljoscha Liebe litt ebenfalls unter einer stark einschränkenden Verletzung. Trotz aufwendiger Reisen zu vielen Experten, erzielte auch er nicht die gewünschte Leistungsfähigkeit

  • Im Laufe der Zeit erkannte er die Wichtigkeit der psychosozialen Faktoren und verbesserte dadurch seinen Umgang mit Schmerzen maßgeblich

  • Dr. Dotzauer und Herr Liebe beschäftigen sich beide seit vielen Jahren mit Schmerzen und geben ihr Wissen an Patienten und Seminarteilnehmer weiter

Frage 2: Was kann man konkret gegen Muskel- und Gelenkschmerzen tun?

  • Zuerst ärztlich abklären lassen, ob eine strukturelle Veränderung der Grund für die Schmerzen ist

  • Bewegung und Körperhaltung verändern, die Schmerzen verursacht. Außerdem: Ein Büroarbeiter mit Schmerzen sollte sich auch mal Entspannung erlauben. Auch eine gerade Haltung kann Schmerzen hervorrufen, wenn sie zu lange beibehalten wird

  • Schmerz entsteht im Kopf und ist ein Alarmsignal des Körpers

  • Das Schmerz-Alarmsystem kann sehr empfindlich sein. Fokussiert man sich zum Beispiel aus Gewohnheit auf einen Schmerzbereich, können bereits geringe Schmerzsignale als starke Schmerzen wahrgenommen werden

  • Um die Sensibilität des Alarmsystems herunterzufahren, kann man mit leichten Schmerzen trainieren. Die Schmerzen sollten sich am nächsten Tag allerdings nicht verschlimmern. Zudem muss vorher stets eine Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen

  • Dinge mitunter einfach mal anders machen, als vorher – denn die Situation vorher hat ja eben genau zu den Schmerzen geführt

  • Massagetechniken wie Osteopressur, Akupressur und Triggerpunkt-Massage lösen die Probleme oft nicht auf Dauer, sondern lindern nur Symptome. Sie können kurzfristig jedoch hilfreich sein

  • Effektiver gegen Schmerzen ist Sport – zum Beispiel sauber ausgeführtes Krafttraining, um Selbstvertrauen wiederzuerlangen und dem Körper zu signalisieren, dass alles in Ordnung ist sowie bestimmte Muskelgruppen gezielt zu stärken

„Schmerz ist häufig eine Hypersensibilisierung für den Bereich […] dann werden normale Ruhesignale als extrem Schmerzhaft verarbeitet.“

Dr. med. Dominik Dotzauer, Schmerzspezialist

Frage 3: Gibt es Alternativen zu Medikamenten und wann ist eine medikamentöse Behandlung sinnvoll?

  • Ob eine medikamentöse Behandlung sinnvoll ist, entscheidet der behandelnde Arzt. Manchmal kann die Einnahme sinnvoll sein, um einer Chronifizierung der Schmerzen vorzubeugen

  • Langsames Wiederaufnehmen von Aktivitäten, die normalerweise den Schmerz auslösen. Nur so kann sich der Körper wieder langsam an die Aktivität gewöhnen

  • Stressoren im gesamten Leben reduzieren, da Stress Schmerzen verstärken kann

Frage 4: Wann ist eine Operation unabdingbar und wann ist sie vielleicht gar nicht nötig?

  • Einige Studien zeigen, dass durch eine Operation häufig keine Verbesserung der Schmerzen eintritt(!)

  • Die Ruhezeit nach einer Operation geht außerdem meist mit einem weiteren Funktionsverlust einher

  • Bevor man sich zu einer Operation entschließt, sollte man erst alle anderen Optionen ausprobieren

  • Und selbst dann: Immer erst eine zweite Meinung einholen!

Frage 5: Was kann man tun, wenn man durch ständiges Sitzen Schmerzen bekommt?

  • Sitzpositionen wechseln, sodass man nicht in einer Haltung verharrt

  • Eine gerade Sitzhaltung bedeutet nicht gleich Schmerzfreiheit. Gerade das Beibehalten einer statischen Haltung kann zu Schmerzen führen.

  • Abwechseln zwischen stehender und sitzender Arbeitsposition, vorausgesetzt ein höhenverstellbarer Schreibtisch ist vorhanden.

Frage 6: Halten Sie ergonomische Produkte wie Bürostühle mit beweglicher Sitzfläche und höhenverstellbare Schreibtische für sinnvoll?

  • Ergonomische Büromöbel erleichtern den Wechsel zwischen verschiedenen Körperpositionen und sind sinnvoll, um Schmerzen zu bekämpfen oder diesen vorzubeugen.

Frage 7: Also ist immer gerade sitzen auch nicht optimal um Schmerzfreiheit zu erlangen?

  • Immer nur gerade sitzen ist nicht funktional. Der Körper ist für Haltungswechsel ausgelegt

  • Auch eine gerade Sitzposition kann Schmerzen auslösen, wenn die Position starr ist und keine Positionswechsel erfolgen

  • Der Schmerz ist ein Signal, dass man etwas verändern sollte.

  • Grundsätzlich gilt: Eine krumme Sitzhaltung muss nicht immer schädlich sein. Sie kann auf Dauer Schmerzen auslösen, aber das kann auch eine starre gerade Haltung. Ideal ist eine gute Haltung mit regelmäßigen Haltungswechseln und Bewegung

„Schmerz und Verspannung sind ein Signal dafür, dass man etwas ändern soll.”

Dr. Dominik Dotzauer

Frage 8: Darf man bei Schmerzen trotzdem Sport treiben?

  • Sportliche Aktivitäten sind oft auch mit leichten Schmerzen möglich, solange keine Verletzungen vorliegen

  • Sollte es nach dem Sport oder am nächsten Tag schlimmer werden, muss man etwas an der Bewegung verändern, wie zum Beispiel die Intensität reduzieren

Frage 9: Was sind die fünf wichtigsten Tipps, die ihr den Zuhörerinnen und Zuhörern im Bezug auf eine gesunde Arbeits- und Lebensumgebung sowie einer guten Körperhaltung mit auf den Weg geben könnt?

  1. Es gibt nicht die perfekte Arbeitsposition. Der Schlüssel zu weniger Schmerzen ist ein stetiger Positionswechsel

  2. Schmerz heißt nicht automatisch, dass etwas kaputt ist

  3. Eine gerade Haltung kann zwar vorteilhaft sein, garantiert jedoch nicht unbedingt Schmerzfreiheit. Sie ist eher eine Sache der Ästhetik

  4. Ein guter Weg zur Haltungskorrektur ist Krafttraining. Die “Ruderübung” wirkt besonders gut gegen einen Rundrücken. Die Übung “Kreuzheben” wirkt einem Hohlkreuz entgegen.

  5. Ein Arbeitsumfeld schaffen, das einem persönlich gut tut. Dies können Pflanzen im Büro sein, Wasser auf dem Tisch und weitere Wohlfühl-Anpassungen

Frage 10: Gibt es Sportarten die geeigneter sind bei Schmerzen oder kommt es darauf an, wie der Sport ausgeübt wird?

  • Es kommt darauf an, wie Sport getrieben wird. Jede Sportart kann so gestaltet werden, dass auch Menschen mit Schmerzen oder Einschränkungen Spaß daran haben.

  • Die Intensität darf am Anfang nicht zu hoch sein und die Sprünge nicht zu groß.

  • Die Regenerationszeit zwischen den Einheiten muss ausreichend lang sein.

  • Sportarten wie Fußball weisen eine höhere Rate an Verletzungen auf als Krafttraining.

„Häufig wird gerade Krafttraining ein bisschen verteufelt […] ,dabei weiß man, dass in Spielsportarten tendenziell sehr viel mehr Verletzungen passieren” 

Aljoscha Liebe, Schmerzspezialist

Frage 11: Spielt Ernährung eine Rolle bei Schmerzen? Und wenn ja: Was empfehlen Sie im Bezug auf Ernährung, um Schmerzen vorzubeugen?

  • Gute Ernährung wirkt sich positiv auf die Psyche aus. Das allein reduziert häufig Schmerzen.

  • Körperfett ist hormonell aktiv. Viele Leute fühlen sich nach der Reduktion ihres Körperfetts besser. Das wirkt sich oft positiv auf das Schmerzempfinden aus.

  • Empfohlen werden fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag.

  • Um abzunehmen, sollte jede Mahlzeit Eiweiß enthalten.

  • Der empfohlene Körperfettanteil für optimale Gesundheit liegt für Männer bei unter 15 % und für Frauen bei unter 25 %.

  • Das Ausprägen und Beibehalten ist der wichtigste Faktor einer gesunden Ernährung.

  • Mehr von Dr. Dotzauer zum Thema Ernährung findest Du auf seiner Webseite

Frage 12: Wie kann man den Körperfettanteil messen?

  • Eine Bioimpedanz-Analyse misst Strom-Widerstand im Körper und leitet daraus Körperfett ab. Dies kannst Du beim Arzt oder mithilfe einer Körperfett-Waage machen, ist allerdings recht ungenau

  • Es gibt auch die Möglichkeit, Bilder von seinem Körper mit Bildern von bestimmten Körperfett-Anteilen zu vergleichen und dann abzuschätzen, wo man selbst steht

  • Zuletzt gibt es noch Körperfett-Rechner wie den “Navy Rechner”, bei dem man verschiedene Umfänge misst und diese in den Rechner eingibt. Daraus wird dann der Körperfettanteil berechnet

Frage 13: Was sind drei Bücher, die Sie den Zuhörern und Zuhörerinnen empfehlen würden:

  • “Recovery Strategies” – Greg Lehman

  • “Warum Zebras keine Migräne kriegen: Wie Stress den Menschen krank macht” – Robert M. Sapolsky

  • “It Doesn’t Have to Be Crazy at Work” – Jason Fried und David H. Hansson

* Wichtiger Nachtrag von Aljoscha Liebe: In einer Studie (Prevalence of Degenerative Imaging Findings in Lumbar Magnetic Resonance Imaging Among Young Adults. – Takatolo) mit über 500 finnischen jungen Erwachsenen zwischen 20 und 22 Jahren hatte ein Viertel der Testpersonen eine Bandscheibenvorwölbung. Im Interview hatte Aljoscha fälschlicherweise von Bandscheibenvorfällen anstatt Vorwölbungen gesprochen.

Weiterführende Links:

Evidenzbasierte Informationen zu Ernährung und Supplements: examine.com

Webseite Schmerzspezialist Aljoscha Liebe

Bei Motivationslosigkeit & Tiefphasen: https://drdotzauer.de/psychologie/keine-motivation

Körperfettanteil messen: https://drdotzauer.de/abnehmen/koerperfettanteil-messen

Tipps zur gesunden Gewichtsreduktion: https://drdotzauer.de/abnehmen/nehme-nicht-ab

Tipps gegen Heißhunger: https://drdotzauer.de/abnehmen/hunger

Studie zu Knie OPs: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/nejmoa1305189

Wissenschaftliche Untersuchung zum Thema Rückenschmerzen: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4464797/

Gesunde und produktive Grüße,

Dein Alex Weitnauer und das Ergotopia Team

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