Evidenzbasierte Skoliose Behandlung: 6 korrigierende Übungen

Die Skoliose ist eine dreidimensionale Wirbelsäulenverkrümmung, die zu einem schiefen Rücken und oft auch zu Bewegungseinschränkungen und Schmerzen führt. Entgegen der häufigen Auffassung ist sie nur sehr selten angeboren und man kann mit einer individuell abgestimmten Skoliose Behandlung aus Übungen und Alltagsveränderungen sowohl Korsett als auch OP vermeiden.
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Wann Skoliose zu Schmerzen führt: Symptome und Folgen
Da Skoliose meist im Wachstumsalter auftritt und frühzeitig besser behandelbar ist, ist es sinnvoll die eigenen Kinder regelmäßig in Ihrer Haltung zu beobachten. So können folgende Anzeichen auf eine (entstehende) Skoliose hindeuten:
Einseitig höhere Schulter
Ein Schulterblatt schaut mehr heraus
Eine Hüftseite ist höher
Die Rippen stehen einseitig stärker hervor
Die Taille erscheint ungleichmäßig
Der Körperschwerpunkt ist verschoben
Der Kopf scheint nicht geradlinig über dem Becken
Wenn diese Skoliose Indikatoren nicht wahrgenommen und die Wirbelsäulenkrümmung unbehandelt bleibt, kann sie fortschreiten und wird wahrscheinlich spätestens im Erwachsenenalter zu chronischen Schmerzen, eingeschränkter Beweglichkeit und Haltungsschäden führen.
Generell aber solltest Du Dich selbst nicht verrückt machen, „nur“ weil bei Dir eine Skoliose festgestellt wurde. Denn solange die Verkrümmung gering ist und Du keine Einschränkungen durch sie im Alltag hast, besteht in der Regel kein Handlungsbedarf beim Erwachsenen.
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Skoliose Ursachen und Selbsttest
Die Skoliose entsteht meist in Wachstumsschüben bei Jugendlichen. Dabei kann man prinzipiell zwischen zwei Arten der Wirbelsäulenverkrümmung unterscheiden: [1]
Die strukturelle Skoliose (unbehandelbar):
Hier sind die Wirbelkörper tatsächlich ungleichmäßig (krumm) ausgebildet, entweder seit Geburt an oder durch einseitige Belastungen im Wachstum (z.B. ständig schiefes Sitzen, wodurch die Wirbel einseitig stärker wachsen)Die funktionelle Skoliose (behandelbar, häufigste Form):
Hier sind muskuläre Dysbalancen und Verspannungen für die schiefe Wirbelsäule verantwortlich. Dementsprechend handelt es sich nicht um eine „echte“ Skoliose, man steht „nur“ schief.
Außerdem ist es möglich, dass beide Formen der Skoliose gemischt auftreten. Ob dies der Fall ist, kannst Du mit einem einfachen Selbsttest herausfinden.
Analyse Deiner Skoliose im Selbsttest
Als erstes lässt Du ein Foto von Deinem Rücken im geraden Stand machen (oberkörperfrei). Hierauf siehst Du Deine aktuelle Skoliose Form meist sehr gut.
Für den nun folgenden Test gehst Du in den Ausfallschritt und neigst Deinen Oberkörper mit nach oben gestreckten Armen zu einer Seite. Halte diese Position für 30 Sekunden. Das gleiche anschließend für die andere Seite.
Was wir hiermit erreichen ist, dass Deine Rückenmuskeln – die möglicherweise die Skoliose (mit)bedingen – entspannen. Nun beugst Du Dich mit gestreckten Beinen nach vorn über und lässt ein Foto von Deinem Rücken machen. Ist jetzt hierauf immer noch eine Skoliose zu sehen, ist diese beziehungsweise die verbleibende Krümmung wahrscheinlich strukturell, also mit Übungen kaum behandelbar.
Skoliose Formen
Der Begriff Skoliose kommt aus dem Griechischen und bedeutet krumm, gebogen. Meist tritt diese schiefe Wirbelsäule seitlich auf. Betrachtet man die Wirbelsäule von hinten, ist dann oft eine Verkrümmung in Form eines „C“ oder „S“ anstatt einer Geraden sichtbar. So unterscheidet man folgende Skoliose Arten:
Thorakale Skoliose (Brustwirbelsäulenverkrümmung)
Diese Art von Skoliose wird oft mit dem “Rippenhügel” in Zusammenhang gebracht, der in der Haltung eines Menschen zu sehen ist. Oft verschiebt sich der Schwerpunkt des Betroffenen zu einer Seite, sodass er aus dem Gleichgewicht gerät.Thorakolumbale Skoliose (Verkrümmung zwischen Brust- und Lendenwirbelsäule)
Hier ist das muskuläre Ungleichgewicht einseitig spür- und häufig sichtbar. Die Haltung wirkt aufgrund des vom Mittelpunkt verschobenen Schwerpunkts aus dem Gleichgewicht.Lumbale Skoliose (Lendenwirbelsäulenverkrümmung)
Diese Skoliose tritt oft im Zusammenhang mit einem Beckenschiefstand auf. Optisch ist meist eine Hüftseite deutlich höher.Thorakale und lumbale (doppelbogige) Skoliose (Brust- UND Lendenwirbelsäulenverkrümmung)
Hierbei handelt es sich um eine Kombination zweier Verkrümmungen.

Ursachen für die überwiegend vorkommende funktionelle Skoliose
Um herauszufinden, warum Deine Wirbelsäule gekrümmt ist und wie Du dagegen vorgehen kannst, musst Du verstehen, welche Gewebestrukturen und Muskeldysbalancen dafür verantwortlich sind und durch was diese entstanden sind.
Im folgenden Bild siehst Du die vier häufigsten muskulären Dysbalancen, die maßgeblich an den meisten Skoliosen beteiligt sind:
Der große Rautenmuskel (Rhomboid) verbindet die Wirbelsäule mit der Innenkante des Schulterblatts und kann bei einseitiger Dysbalance zu einer optischen Skoliose im oberen Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) beziehungsweise unteren Bereich der Halswirbelsäule (HWS) führen.
Der Trapezmuskel (trapezius) verbindet die Wirbelsäule mit dem Schlüsselbein und dem Schulterblatt. Er sorgt wie ein Ungleichgewicht der großen Rautenmuskeln zu einer – jedoch deutlich stärkeren gekrümmten – Skoliose im Bereich HWS und BWS.
Der Rückenstrecker (erector spinae) verläuft nahezu über die komplette Wirbelsäule und ist mit dieser verknüpft. Ist hier eine Seite verkürzt, „verbiegt“ es den kompletten Rücken.
Der quadratische Lendenmuskel (quadratus lumborum) verbindet die Wirbelsäule mit der obersten Kante vom Becken. Dysbalancen hier führen zu einer Skoliose in der Lendenwirbelsäule (LWS).
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Anhand der Fotoaufnahmen des vorigen Selbsttests solltest Du nun potentielle muskuläre Dysbalancen ausfindig machen können. Nun bleibt jedoch noch die Frage, wodurch ist das Ungleichgewicht der Muskeln überhaupt entstanden?
Die Antwort ist simpel: durch einseitige Belastungen. Hier ein paar Beispiele, die das verdeutlichen:
Einseitige Belastung beim Sport, z.B. Standbein beim Fußball > Resultat ist häufig ein Beckenschiefstand, der zu Dysbalancen im quadratischen Lendenmuskel führt.
Nahezu ausschließliche Benutzung seines starken Arms > Folge ist fast immer eine Dysbalance im großen Rautenmuskel und im Trapezius.
Schiefe Haltung am Arbeitsplatz und einseitiges Abstützen > Führt meist zu einem einseitig stärken Rückenstrecker
Behandlung von funktioneller Skoliose: 6 Übungen und Tipps
Willst Du Deine funktionelle Skoliose erfolgreich behandeln, musst Du im ersten Schritt Deine Alltags- und Bewegungsmuster, die zu den muskulären Dysbalancen geführt haben, verändern – also beispielsweise häufiger mit dem schwachen Arm Dinge greifen, für Ergonomie am Arbeitsplatz sorgen, Sportarten aktiv mit der schwächeren Seite ausüben ecetera.
Unterstützend für eine schnellere Aufrichtung Deiner Wirbelsäule eignen sich Übungen zur Dehnung, Entspannung und Mobilisation der zu starken Muskeln beziehungsweise Stärkung von zu schwacher Muskulatur.
Vor allem wenn Du Dir unsicher bist, aber auch prinzipiell, empfehle ich Dir stets beide Seiten gleichzeitig „zu bearbeiten“. So beugst neuen Dysbalancen vor und schaffst langfristig ein Gleichgewicht Deiner Muskulatur.
Und besonders wichtig: Sei geduldig! Du kannst nicht erwarten, dass Deine Skoliose und begleitende Schmerzen nach kürzester Zeit verschwinden, wenn Du bereits seit Jahren oder Jahrzehnten Probleme damit hast. Vergleichbar ist das mit Kraftsport oder Fettabbau: Erst nach mehreren Monaten bis Jahren wirst Du spürbare und optische Ergebnisse haben. Eine Abkürzung gibt es nicht.
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Übungen bei einer thorakalen Skoliose
Wir erinnern uns, dass bei dieser Skoliose Form ungleich starke Rhomboiden (großer Rautenmuskel) die Ursache ist. Um dem Ungleichgewicht hier entgegenzusteuern eignen sich alle Übungen, die diese Muskeln fordern – zum Beispiel vorgebeugtes Rudern oder Seitheben mit der Kurzhantel oder zwei gleich schweren Wasserflaschen:

Zusätzlich kannst Du beispielsweise mit einem Faszien- oder Tennisball den zu starken Muskeln „durchkneten“ indem Du Dich mit dem Muskel auf den Ball legst und hin und her rollst.
Übungen bei einer lumbalen Skoliose
Die lumbale Skoliose wird in der Regel durch eine muskuläre Dysbalance der quadratischen Lendenmuskeln ausgelöst und kommt häufig in Kombination mit einem Beckenschiefstand vor. Willst Du also die Verkrümmung Deiner Lendenwirbelsäule beseitigen, musst Du sowohl Deinen Beckenschiefstand beseitigen, als auch den Quadratus Lumborum „bearbeiten“ – beispielsweise mit dem Seitstütz und Butterfly-Stretch:

Komplexübungen für alle Skoliose Arten
Wenn Du den (oder Deinen) Körper von Menschen mit funktioneller Skoliose ausführlich betrachtest, wird Dir auffallen, dass die muskulären Dysbalancen sich von Fuß bis Kopf ziehen. So haben Menschen mit einem stärkeren linken Bein oft einen sichtbar muskulöser ausgeprägten rechten Rücken, einen verspannteren Nacken auf der rechten Seite und so weiter.
Grund dafür ist, dass unser Körper stets bestrebt ist, geradlinig ausgerichtet zu sein, um im Stand oder beim Laufen nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ist nun eine Seite stärker, würde das ohne körperliche Gegenmaßnahmen bedeuten, dass man umfällt. Also spannt sich „eine (muskuläre) Etage höher“ die andere Seite an.
Wissenschaftlich untersucht: Skoliose OP und Korsett sinnvoll?
Die wissenschaftlich höchst angesehenste Cochrane Organisation, die sich der evidenzbasierten Aufklärung verschrieben hat, untersucht sowohl den langfristigen Nutzen von Operationen wie auch von Korsetts bei Jugendlichen mit Skoliose.
Das Ergebnis für Operationen: Es gibt keinerlei Beweis, dass Skoliose Operationen im Allgemein zu dauerhafter Linderung von Schmerzen führt und Wirbelsäulenproblemen führt. Im Gegenteil: Viele Studien zeigen Folgekomplikationen. [2]
Denn häufig findet eine Versteifung der Wirbelsäule statt, die die Bewegung der Wirbel stark oder ganz einschränkt. Ohne Bewegung jedoch können Gelenke (also auch Wirbelkörper) und deren schützenden Elemente (Gelenkkapsel, Knorpel, Bandscheiben) nicht versorgt werden und fallen so nach und nach Arthrose und anderen Erkrankungen zum Opfer.
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Was benutzt wird, entwickelt sich. Was ungenutzt bleibt, verkümmert.
Das Ergebnis für Korsetts: Das Tragen von Korsetts im Wachstumsalter scheint (geringfügig) wirksam zu sein. Die Evidenz dafür ist jedoch äußerst gering. [3]
Fakt ist jedoch: Weder Operationen noch Korsetts behandeln die häufig muskuläre Ursache. Dysbalancen lassen sich nur durch Änderungen von Alltagsgewohnheiten und individuelle Übungen beheben.
Daher ist meine persönliche Herangehensweise bei Problemen: muskuläre Probleme analysieren, übungstherapeutisch behandeln und erst, wenn das alles nicht geholfen hat, erwäge ich medizinische Behandlung und risikobehaftete Operationen und Arznei.
Berichte mir gern von Deinen Erfahrungen, Tipps und Problemen in den Kommentaren und hilf Deinen Freunden, ihre Skoliose zu bekämpfen, indem Du den Artikel mit ihnen teilst.
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[1] http://www.deutsches-skoliose-netzwerk.de/index.php/ueber-skoliose-de-de/
[2] https://www.cochrane.org/CD010663/BACK_surgical-treatment-compared-to-non-surgical-treatment-braces-exercise-or-observation-for-teens-with-idiopathic-scoliosis
[3] https://www.cochrane.org/de/CD006850/korsetttherapie-bei-jugendlichen-mit-idiopathischer-skoliose
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