Bruxismus: Ursachen, Therapie und Hausmittel bei Zähneknirschen


Von Prof. Dr. rer. medic. Alfred Rucker nach hohen wissenschaftlichen Standards geprüft.
Bruxismus, umgangssprachlich besser bekannt als Zähneknirschen, ist eine Volkskrankheit, die sowohl tagsüber als auch nachts im Schlaf auftreten kann. Viele Menschen sind sich tatsächlich gar nicht bewusst, dass sie mit den Zähnen knirschen, sondern werden erst vom Partner, den Eltern oder dem Zahnarzt darauf aufmerksam gemacht.
In diesem Artikel zeigen wir Dir die möglichen Ursachen und Symptome von Bruxismus und was Du dagegen tun kannst.
Definition: Was versteht man unter Bruxismus?
Die Deutsche Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie definiert Bruxismus als “wiederholte Kaumuskelaktivität, charakterisiert durch Kieferpressen und Zähneknirschen und/oder Anspannen oder Verschieben des Unterkiefers ohne Zahnkontakt.”[1] Es kann unterschieden werden, ob Du dabei wach bist (sogenannter Wachbruxismus) oder schläfst (sogenannter Schlafbruxismus).[1]
Wie häufig ist Bruxismus?
Schätzungen zufolge leiden ungefähr 22 bis 31 Prozent der Erwachsenen am Wachbruxismus und ungefähr 13 Prozent am Schlafbruxismus.[2] Am häufigsten sind Personen im Alter zwischen zehn und 30 Jahren betroffen.[1] Mit zunehmendem Alter nimmt die Häufigkeit von Bruxismus ab – prinzipiell kann er aber in jedem Alter auftreten, in dem ein Mensch Zähne hat.[2]
Übrigens: Zähneknirschende Kinder haben ein erhöhtes Risiko, auch als Erwachsene unter Bruxismus zu leiden.[3]
Bruxismus-Ursachen und Risikofaktoren: Warum knirscht man mit den Zähnen?
Häufig ist es nicht sicher zu sagen, warum jemand mit den Zähnen knirscht.[4] Das liegt unter anderem daran, dass die Bruxismus-Ursachen kaum erforscht sind.[4] Forscher vermuten aber, dass in den meisten Fällen mehrere Faktoren gleichzeitig verantwortlich sind.[4] Hier stellen wir Dir einige mögliche Ursachen und Risikofaktoren vor:
Früher dachten Forscher, dass morphologische Faktoren, also beispielsweise Zahnfehlstellungen oder die Gesichtsform, Hauptgründe für den Bruxismus sind. Studien haben jedoch gezeigt, dass solche Faktoren höchstens eine untergeordnete Rolle spielen.[5]
Psychologische Ursachen von Bruxismus
Stress: Forscher vermuten, dass Bruxismus ein Mittel der Stressbewältigung ist.[6] Nachgewiesene Gründe sind beispielsweise Schichtarbeit, familiäre Probleme oder Licht und Geräusche im Schlafzimmer.[6,7,8]
Psychische Störungen: Es werden sowohl Angststörungen als auch Depressionen als mögliche Risikofaktoren vermutet.[8,9]
Schlafstörungen: Studien zufolge kann Bruxismus bei Kindern beispielsweise durch Albträume entstehen, bei Erwachsenen wiederum zum Beispiel durch Schichtarbeit.[1,8]
Genussmittel und Medikamente als Ursache von Bruxismus
Hoher Alkoholkonsum: Studien zeigen, dass ein starker Alkoholkonsum das Bruxismus-Risiko fast verdoppeln kann.[10]
Drogenkonsum: Beispielsweise können Ecstasy und Kokain nachweislich Risikofaktoren für Bruxismus sein.[4]
Medikamente: Insbesondere die Einnahme einiger psychiatrischer Medikamente wie Antidepressiva kann Studien zufolge das Bruxismus-Risiko erhöhen.[11]
Hoher Koffeinkonsum: Wenn Du mehr als acht Tassen Kaffee am Tag trinkst, kann sich Dein Bruxismus-Risiko um ungefähr 40 Prozent erhöhen.[10]
Rauchen: Studien zufolge kann Rauchen das Bruxismus-Risiko nahezu verdreifachen.[12]
Eltern, aufgepasst: Auch Passivrauchen kann das Bruxismus-Risiko bei Kindern nachweislich erhöhen.[8]
Körperliche Erkrankungen und genetische Ursachen
Refluxkrankheit: Schätzungen zufolge leiden ungefähr drei von vier Menschen mit einer Refluxkrankheit (bei der klassischerweise Sodbrennen auftritt) auch an einem Schlafbruxismus.[13] Dabei vermuten Forscher, dass Dich der Bruxismus vor den Refluxbeschwerden schützen soll: Sodbrennen kann nämlich die Kaumuskeln aktivieren, was wiederum die Speichelproduktion anregen und so die aufsteigende Magensäure verdünnen kann.[14]
Atmungsstörungen: Ein vermuteter Grund für einen Schlafbruxismus ist die Schlafapnoe.[15] Forscher nehmen an, dass Bruxismus bei einer Schlafapnoe die oberen Atemwege öffnen soll.[16] Es können aber auch andere Atmungsstörungen einen Bruxismus verursachen, zum Beispiel eine behinderte Nasenatmung durch vergrößerte Mandeln.[17]
Genetische Faktoren: Mehrere Zwillingsstudien haben gezeigt, dass die Genetik einen großen Einfluss auf die Entstehung von Bruxismus hat.[18]
Übrigens: Forscher vermuten, dass Wachbruxismus eher durch psychologische Ursachen und Schlafbruxismus häufiger durch Störungen des zentralen Nervensystems entsteht, beispielsweise durch eine gestörte Informationsübertragung zwischen Nervenzellen.[1]
Bruxismus-Symptome: Schmerzen und andere Auswirkungen
Bruxismus kann viele Beschwerden verursachen, aber auch weitgehend symptomfrei verlaufen. Einige klassische Anzeichen haben wir Dir hier zusammengestellt:[1,19]
Schmerzen: Die ständige Belastung kann zu Kieferschmerzen, Nackenschmerzen, Zahnschmerzen und Kopfschmerzen (insbesondere an der Schläfe) führen.
Geräusche: Bei ungefähr 20 Prozent der Betroffenen können Geräusche durch das Zähneknirschen und Kieferpressen entstehen.
Eingeschränkte Kieferöffnung: Betroffene haben häufig besonders nach dem Aufwachen Probleme, den Mund zu öffnen.
Zungen- und Wangenabdrücke: Einige Betroffene pressen die Zunge gegen die Zähne oder saugen die Wangen ein, wodurch Abdrücke auf der Zunge und den Wangen entstehen können.
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Welche Folgen hat Zähneknirschen?
Nach einer Weile kann das Zähneknirschen verschiedene Komplikationen verursachen. Einige mögliche Folgen haben wir Dir hier zusammengestellt:[1,19]
Zahndefekte: Durch das Knirschen können die Zähne Schaden nehmen und dadurch überempfindlich werden.
Schäden an Restaurationsmaterialien: Auch die künstlichen Materialien in Deinem Mund (also beispielsweise Zahnersatz oder Füllungen) können durch den Bruxismus beschädigt werden.
Kraniomandibuläre Dysfunktion (CMD): Dabei handelt es sich um eine Funktionsstörung der Kaumuskulatur und der Kiefergelenke, was zu Beschwerden wie Schmerzen führen kann.
Bewegliche Zähne: Die Zähne können beweglicher werden, ohne dass Erkrankungen des Zahnhalteapparats (also beispielsweise des Zahnfleischs oder des Kieferknochenanteils, in dem sich die Zähne befinden) bekannt sind.
Vergrößerung der Kaumuskeln
Zahnfleischrückgang

Links: Unauffällige Darstellung einer oberen Zahnreihe. Rechts: Verlust der Zahnsubstanz durch Bruxismus.
Diagnose von Bruxismus
Eine frühzeitige Diagnose ist wichtig, um die Zunahme der Beschwerden zu reduzieren. Oft sind mehrere Methoden notwendig, um einen Bruxismus zu erkennen. Häufige Diagnosemittel haben wir Dir hier zusammengestellt:
Welcher Arzt bei Bruxismus? Bei entsprechenden Beschwerden solltest Du zunächst zum Zahnarzt gehen. Dieser kann Dich dann gegebenenfalls an andere Spezialisten weiterleiten.
Arztgespräch: Dabei fragt Dich Dein (Zahn-)Arzt, ob Dir oder anderen Personen klassische Symptome bei Dir aufgefallen sind. Da ein Bruxismus aber nicht immer Beschwerden verursacht und ungefähr vier von fünf Betroffenen beim Zähneknirschen keine Geräusche von sich geben, reicht ein Arztgespräch nicht aus, um die Bruxismus-Diagnose zu verwerfen.
Klinische Untersuchung: Dabei sucht Dein (Zahn-)Arzt nach möglichen Bruxismus-Komplikationen wie Zahnschäden oder vergrößerten Kaumuskeln.
Polysomnografie: Die Polysomnografie gilt als beste Methode für die Diagnose des Schlafbruxismus.[1] Dabei können in einem Schlaflabor beispielsweise Vitalzeichen, Kieferbewegungen und Knirschgeräusche ermittelt werden. Nachteile der Polysomnografie sind jedoch der hohe finanzielle und zeitliche Aufwand sowie die Tatsache, dass die Untersuchung in einer ungewohnten Umgebung stattfindet, was die Ergebnisse verfälschen kann.
Tragbare EMG-Geräte: Ein tragbares EMG-Gerät (Elektromyografie-Gerät) kann die Kaumuskelaktivität und die Herzfrequenz messen und sowohl für den Schlaf- als auch den Wachbruxismus eingesetzt werden. Obwohl noch weitere Studien erfolgen müssen, ist sie laut Leitlinienempfehlungen eine sinnvolle Alternative zur Polysomnografie.[1]
Spezielle Schienen: Manchmal werden Schienen verwendet, die Betroffene nachts in den Mund einsetzen sollen. Bei nächtlichen Kieferbewegungen zeigt sich auf ihnen ein Abriebmuster, was Aufschluss über ein mögliches Knirschen geben kann.
Selbstbeobachtung: Das eigene Verhalten zu beobachten ist laut Leitlinienempfehlungen hilfreich, um einen Wachbruxismus zu diagnostizieren, obwohl es derzeit kaum Studien über den Effekt gibt.[1] Dabei sollen Betroffene zum Beispiel beobachten, ob sie tagsüber die Kaumuskeln anspannen oder mit den Zähnen knirschen.
Biofeedback: Biofeedback kann für den Wachbruxismus angewendet werden. Dabei werden Sensoren an die Wangen angebracht, die die Kiefermuskelspannung messen können.
Therapie bei Bruxismus: Knirschschiene und die Alternativen
Es gibt viele verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die bei einem Bruxismus eingesetzt werden können. Die am häufigsten verwendeten, von der Leitlinie empfohlenen Methoden haben wir Dir hier zusammengestellt.
Übrigens: Laut Deutscher Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie ist Bruxismus zwar keine Krankheit, kann aber zu schwerwiegenden Folgen führen.[20] Deswegen ist eine entsprechende Behandlung wichtig, um diese Komplikationen zu vermeiden.
Aufklärung über Bruxismus
Ein wichtiger erster Schritt ist, dass Betroffene über den Bruxismus aufgeklärt werden. Vielen Menschen ist nämlich nicht bewusst, dass sie mit den Zähnen knirschen. Zu einer Aufklärung gehören unter anderem die Untersuchungsergebnisse, mögliche Ursachen und Risikofaktoren, Therapiemöglichkeiten und die Prognose. Das soll Betroffenen helfen, mögliche Gründe für den Bruxismus in ihrem Alltag zu erkennen und selbst aktiv zu werden.
Knirschschienen
Diese herausnehmbaren Schienen (auch Aufbissschienen genannt) können sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer eingesetzt werden und sollen den Zahnabrieb und die Kaumuskelaktivität reduzieren und die Beschwerden lindern.[1]

Darstellung einer Knirschschiene
Medikamentöse Behandlung
Erste Studienergebnisse zeigen, dass es zukünftig einige systemisch wirksame Medikamente zur Behandlung von Bruxismus geben könnte. Derzeit müssen die meisten dieser Medikamente jedoch noch ausgiebiger erforscht werden, um sie klinisch anzuwenden.[21] Die einzige Ausnahme ist Botulinumtoxin (kurz Botox), das laut Leitlinienempfehlungen in die Kaumuskulatur gespritzt werden kann, um Bruxismus zu behandeln.[1]
Verhaltenstherapie
Leitlinienempfehlungen zufolge können hierbei unterschiedliche Verfahren helfen, um Bruxismus zu behandeln.[1] Ein bekanntes Mittel ist die progressive Muskelentspannung nach Jacobson, bei der eine abwechselnde An- und Entspannung der Muskeln sowohl die Psyche als auch den Kiefer entspannen soll.
Zusätzlich kann die sogenannte Biofeedback-Therapie sowohl für Schlaf- als auch Wachbruxismus eingesetzt werden. Bei einer Biofeedback-Therapie wird das Ausmaß der Kiefermuskelspannung kontinuierlich gemessen und an den Patienten beispielsweise mit einem Ton zurückgemeldet. Dadurch sollen Betroffene lernen, ihre Kaumuskelaktivität bewusster zu kontrollieren und zu reduzieren.
Physiotherapie und physikalische Maßnahmen
Obwohl physiotherapeutische und physikalische Maßnahmen in nur wenigen Studien untersucht wurden, empfiehlt die Leitlinie einige dieser Methoden, um Bruxismus-Symptome wie Schmerzen und Muskelverspannungen zu reduzieren.[1] Von den Leitlinien empfohlene Methoden sind:[1]
Kälte- und Wärmeanwendungen
Ultraschalltherapien
Massagen
Dehn- und Entspannungsübungen
Übrigens: Maßnahmen, die die Zähne verändern (beispielsweise Einschleifen oder der Einsatz von Fremdmaterialien), eignen sich laut der Leitlinie nicht zur ursächlichen Behandlung. Sie können aber aus ästhetischen oder funktionellen Gründen erwogen werden, um beispielsweise Zahndefekte auszugleichen.[1]
Hausmittel und Entspannungsübungen: Was tun gegen Zähneknirschen?
Es gibt viele Methoden, die Du auch ganz ohne fremde Hilfe verwenden kannst. Wir haben Dir hier ein paar Tipps zusammengestellt, um Deinen Bruxismus selbst zu lindern:
Diese Methoden ersetzen nicht die (zahn)ärztliche Behandlung. Bei Bruxismusbeschwerden solltest Du Dich unbedingt professionell beraten lassen.
Selbstbeobachtung
Selbstbeobachtung kann nicht nur hilfreich sein, um den Bruxismus zu diagnostizieren, sondern auch, um ihn besser in den Griff zu bekommen: Achte bei einem Wachbruxismus beispielsweise regelmäßig darauf, ob Du Deine Kaumuskulatur anspannst oder mit den Zähnen knirschst.
Dafür kannst Du beispielsweise an Deinem Computerbildschirm bei der Arbeit kleine Erinnerungszettel anbringen. Oder Du richtest Dir Benachrichtigungen auf Deinem Handy oder Deinem Computer ein, die Dich regelmäßig daran erinnern, Deine Kiefermuskelaktivität zu kontrollieren.
Eliminiere die Risikofaktoren
Eine der wichtigsten Maßnahmen ist es, die entsprechenden Risikofaktoren zu reduzieren. Dazu zählt beispielsweise, Deinen Nikotin-, Alkohol- und Kaffeekonsum zu reduzieren.
Da Stress Studien zufolge eine der Hauptursachen von Bruxismus ist, solltest Du Methoden finden, Dich zu entspannen. Beliebte Entspannungstechniken sind beispielsweise Yoga, Pilates, Meditation, Atemübungen oder die progressive Muskelentspannung nach Jacobson.
Weitere Entspannungsübungen findest Du in diesen Videos von unserem YouTube-Kanal!
Eis und Wärme
Die Leitlinien empfehlen sowohl Kälte als auch Wärme gegen die Beschwerden.[1] Dafür kannst Du beispielsweise einen in ein Tuch gewickelten Eisbeutel oder eine warme Kompresse mehrmals am Tag für jeweils 15 Minuten auf den Kiefer legen.
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Fazit
Wenn Du mit den Zähnen knirschst, solltest Du unbedingt etwas dagegen unternehmen, um schlimmere Folgen zu vermeiden. Dafür gibt es viele hilfreiche Methoden, die Du teilweise auch zu Hause verwenden kannst – für die ideale Therapie solltest Du Dich aber professionell beraten lassen.
Wir hoffen, dass Dir dieser Artikel gefallen hat und freuen uns, von Dir zu hören.
Wie konntest Du Dir das Zähneknirschen und Kieferpressen abgewöhnen? Schreib uns doch mal in den Kommentaren!
Bildcredits: and49544303.mail.ru/Depositphotos.com, paladjai/Depositphotos.com, nenetus/Depositphotos.com
[19] Teeth grinding (bruxism) [Internet]. London: National Health Service. 2022 Jun 27 [Letzter Abruf: 2023 Mar 24]. URL: https://www.nhs.uk/conditions/teeth-grinding/.
[20] Brakel M. Zähneknirschen ist keine Krankheit: Ernste Folgen für die Gesundheit sind aber möglich [Internet]. Berlin: Springer Medizin. 2019 Jun 11 [Letzter Abruf: 2023 Mar 24]. URL: https://www.springermedizin.de/bruxismus/zaehneknirschen-ist-keine-krankheit-/16789240.